Besonders im Rahmen der zwei von mir geführten Interviews, aber auch im Zusammenhang mit den im Film Sonnenallee geschilderten Erinnerungen wurde mit bewusst, dass, um Erfahrungen zu erhalten und auch zukünftig verfügbar zu machen, sie geformt und auf materielle Datenträger übertragen werden müssen, damit sie ein kulturelles Gedächtnis stützen oder in ihm aufgehen können. Ich möchte die Gelegenheit nutzen einen kleinen Teil der theoretischen Grundlegungen
zur Gedächtniskultur Aleida Assmanns vorzustellen.
Vergängliches in Unvergängliches zu überführen, schreibt Aleida Assmann, sei die zentrale Aufgabe von Kulturen. Gegen ein universalistisches Vergessen haben die verschiedenen Kulturen unterschiedlichste Sicherungssysteme hervorgebracht, ganz gleich ob orale oder schriftgebundene, haben sie Formen der Speicherung und der Tradierung entwickelt, um bewahrenswertes Wissen und kulturelle Identität zu überliefern.
Um Erinnerungen und Erfahrungen zu erhalten und auch zukünftig verfügbar zu machen, müssen sie geformt und auf materielle Datenträger übertragen werden, damit sie ein kulturelles Gedächtnis stützen oder in ihm aufgehen können.
Nichtsdestotrotz schließt die Sicherung im gleichen Maß wie sie erhält, auch immer den Verlust und das Vergessen mit ein, denn Speichern ist ein Akt der Wahl. Das kulturelle Gedächtnis basiert maßgeblich auf medialen, beziehungsweise materiellen Trägern, die als Erinnerungsstützen ihre Besitzer oder Erschaffer überdauern (können). Hierin liegt auch ein Potential der Dinge, nämlich, das sie zeitversetzt in andere Kontexte gesetzt werden können. Die lebendige Erinnerung hingegen, die nur durch Kommunikation erhalten werden kann, ist nicht Teil eines kulturellen, sondern des sozialen Gedächtnisses.
Assmann unterteilt das kulturelle Gedächtnis in zwei Sphären, das Funktions- und das Speichergedächtnis, die sie insofern voneinander trennt, als ihr das Speichergedächtnis als ein Archiv des passiven Wissens gilt, dass sich auf materielle Artefakte stützt, die allerdings in das Funktionsgedächtnis befördert werden können. Das Funktionsgedächtnis wiederum umfasst alles Wissen, das durch stetes Tradieren und Wiederholen, gebraucht und kanonisiert wird und ist in seiner Auswahl wesentlich präziser als das Speichergedächtnis, dessen es sich bedient.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen