Dienstag, 31. März 2009

(K)einmal Stones in Ost-Berlin

Es war der 7. Oktober 1969,  im demokratischen Teil Deutschlands feierte man den Republikgeburtstag.

Der wohl bekannte Reigen aus FDJ- & Kampfgruppen und allen anderen die dem Arbeiter-

und Bauernstaat ihre Aufwartung machten.


Natürlich war dieser Tag kein normaler Werk- oder Schultag und so bot sich die Gelegenheit durch die

Straßen zu ziehen, an den Ecken zu stehen und sich vor großem Publikum zu inszenieren.

Das hieß im Klartext, dass sich Jugendliche an zentralen oder prominenten Punkten in der Innenstadt

trafen und mittels Kofferradio den Aufstand probten. Mocca Milch Eisbar, Café Moskau , hauptsache mittendrin und

immer dabei. 


Doch an diesem 7. Oktober hatte ein Gerücht die Runde gemacht, dass einen musikalischen Hochgenuss

und jede Menge Action versprach.

Die Stones sollten auf dem Dach des Springer Hochhauses ein Konzert spielen.


Das Axel Springer Haus steht an der Rudi-Dutschke ecke Axel-Springer Straße in Kreuzberg, ein Teil der im amerikanischen Sektor lag und nach

dem Mauerbau 1963 eigentlich unerreichbar war. Allerdings hatte Verlagschef Springer den Bau in unmittelbarer

Nähe zur Sektorengrenze errichten lassen und somit rechneten man sich gute Chancen aus, einen Blick auf den

zuckenden Jagger zu erhaschen, das Klirren der Röhren aus Richards Verstärker und das Scheppern von

Charlie Watts Becken zu hören.

Doch ganz gleich wie nah man den Stones tatsächlich käme, man würde mindestens einem musikalischen Ereignis 

großen historischen Formats beiwohnen, soviel war sicher.


Denn seit Walter Ulbricht 1965 auf dem elften Plenum des ZK verkündet hatte: 

"Ich denke, Genossen, mit der Monotonie des JE-JE-JE, und wie das alles heißt, ja, sollte man doch Schluß machen." , 

gab es für Beatgruppen in der DDR von der musikalischen Einstufungskommission keine Spielberechtigung mehr.

Rocker, Beatfans und Hippies wurden per Verordnung offiziell als Gammler eingestuft und es war wieder ein bißchen 

enger geworden.


Wie viele andere auch, machte sich mein Vater aus dem heimischen Friedrichshain auf den Weg in die Innenstadt,

um dieser Sause beizuwohnen. Zur Feier des Tages hatte er sich Levi's Jeans von seiner älteren Schwester gemoppst,

seine Kletterschuhe angezogen und einen echten Parka der US ARMY von einem Kumpel geborgt.


Man traf sich am damals noch recht neuen Fernsehturm und machte sich irgendwann auf den Weg Richtung Café Moskau,

um sich dort mit anderen Jugendlichen zu treffen um dann gemeinsam Richtung Checkpoint Charly zu pilgern.

Das Zusammenrotten fand vor dem Hintergrund statt, dass der Ärger mit der Exekutive an einem jeden 07. Oktober erfahrungsgemäß 

nicht lang auf sich warten ließ und seinen Höhepunkt in der Abenddämmerung erreichte, wenn Polizei und Staatssicherheit sich vor störenden 

Blicken in Sicherheit wähnten um ihren Frust aus den Jugendlichen prügeln konnten. Doch wollte man es den ausführenden Organen

dieses Mal nicht zu leicht machen einem den Abend zu vermiesen.


Kaum los gelaufen, fand der Ausflug ein jähes Ende. Plötzlich war man mitten auf dem Alex von einer FDJ-Ordnungsgruppe umzingelt worden,

die energisch forderte, den Klassenfeind nicht durch das zelebrieren seiner sozialethisch verwirrenden und zügellosen

Musik zu unterstützen. Die Volkspolizei war bereits im Anmarsch und das der Abend  im Eimer war, traurige Gewissheit.

Die Panik meines Vaters im Angesicht der Umstände, galt allerdings nicht der zu erwartenden Zuführung auf das nächste Polizeirevier und dem 

nicht unüblichen rabiaten Haarschnitt durch die Polizisten, sondern dem möglichen Verlust des geborgten Parkers. 

Ein Armeeparka, dazu noch von der US ARMY war von unermesslichem Wert und bei Verlust nicht zu ersetzen. 

Wie auch, wenn der nächste Armeewarenladen und die nächste Kaserne von US-Truppen zwar nur einen Steinwurf entfernt, aber dank

KALTEM KRIEG, Stacheldraht, Wachhunden und SS20-Selbstschussanlagen unerreichbar waren.


Bleibt letztlich nur noch die Auflösung dieser kleinen Schrift und ihres verwirrenden Hintergrundes.

Ein Moderator des RIAS hatte in der Rocksendung RIAS-Treffpunkt  das Konzert der Rolling Stones angekündigt. Das es sich dabei um einen

Spaß, eine so genannte RIAS-Ente handelte, konnte oder wollte damals niemand glauben und so kam es zu den hier geschilderten Ereignissen.

Heut, mit einigem zeitlich Abstand fühlt man sich an Orson Welles Radio Show erinnert.


Ach ja, den Parka konnte Dieter retten und seinem Freund Bobby unbeschädigt zurückgeben.

Keine Kommentare: